Adam Davies, der sich mit seinem Romandebüt “Froschkönig” in mein Herz schloss, ist in Kentucky geboren. Er bezeichnet sich selbst als “Hick”. Moment mal, ist das nicht verflucht langweiliges Interview-Understatement?
Beweise?
Adam Davies ist nicht nur Autor und Dozent für englische Literatur, nein, sein erstes Buch wurde von keinem Geringeren als Bret Easton Ellis als bester New York-Roman seit langer Zeit geadelt.
Mehr Beweise?
Seine Großmutter war niemand Geringeres als die große Katharine Hepburn. Apropos Kate, wie er sie liebevoll nennt. Einst suchte sie in ihrer Kommode nach einem Geschenkband, schmiss den gesamten Inhalt achtlos um sich und vier Oscarstatuen rauschten am kleinen Adam vorbei. Noch was von Kate? Frau Hepburn war, wie er erzählt, eine wunderbare Großmutter, die selbst von Alzheimer gezeichnet ihrem Charakter treu blieb, wie beispielsweise, als sie, nachdem ihre Tochter Adam belehrt hatte, dass sie Bananen verabscheue, dies nur nicht mehr wüsste, gleich eine ganze Staude forderte. Der kleine Davies holte die gewünschten Früchte und Kate aß sie mit sichtlichem Widerwillen trotzdem.
Zurück zu noch mehr Beweisen?
Seine bevorzugten Gin-Marken sind Hendrick‘s und Damark.
Erdrückende Beweise?
Einer seiner besten Freunde ist der Mann, der den „I love New York“- Schriftzug auf der ganzen Welt verbreitet hat und auch Adams Herz gehört dieser Stadt, die für ihn heute Heimat bedeutet.
Ein „Hick“? Interview-Understatement pur?
Auch wenn Adam Davies mit fünfundzwanzig Jahren in einer Bar in Louisville, Kentucky als Mädchen für alles arbeitete, nach der Sperrstunde die versifften Böden schrubbte und trotzdem kaum über die Runden kam, will ich das nicht gelten lassen.
Vom Hinterwäldler zum Autor?
Durch seine Nebentätigkeit als unbezahlter Verlagsassistent besaß er die persönliche Emailadresse von einer der größten amerikanischen Verlagsagentinnen und nach einem weiteren frustrierenden, fast brotlosen Arbeitstag setzte er alles auf eine Karte. Ohne weitere erklärende Zeilen schickte Adam sein Manuskript vom „Froschkönig“ ab. Einige Tage, in denen ihn auch noch seine Freundin verließ, vergingen, als er auf dem Anrufbeantworter Unglaubliches hörte: „Mister Davies, ihr Roman ist sehr gut, sie sollten mich zurückrufen.“
Vom Hinterwäldler zum Kultautor?
Auf der Buchpräsentation vom Froschkönig war auch „American Psycho“-Autor Bret Easton Ellis anwesend und im Laufe des Abends wurde Davies gebeten, mit dem von ihm überaus geschätzten Schriftsteller für ein Foto zu posieren. Bevor die Linse klickte nahm er all seinen Mut zusammen und bat Bret, sich ein wenig nach unten zu beugen, um selbst nicht wie ein Winzling auszusehen. Ellis zwinkerte.
„Was ist dann passiert?“ frage ich nach unserer dritten Runde Scotch.
Nach dem ganzen Rummel um sein erstes Buch wollten alle wissen, was er als nächstes schreiben werde. Adam hatte nicht die leiseste Ahnung, erfand flugs, er würde über seine Familie schreiben und nur acht Tage später lag bereits ein Scheck für den neuen Roman in seinem Briefkasten. Unter diesem Druck zog sich Adam in das Niemandsland Ohio zurück, aber brachte trotz der Einöde über lange Zeit nichts zu Papier. „Um meine Schreibblockade zu überwinden probierte ich einiges, doch es misslang, bis zu dem Tag mit dem Mädchen“. Davies saß mit zwei Sixpack Bier auf einer Parkbank um sich ordentlich zu betrinken, als eine christliche Religionsgruppe des Weges kam. Plötzlich riss sich ein kleines Mädchen los, stürmte auf Adam zu, umarmte ihn mit aller Herzenswärme und sagte: „Und jetzt versprich mir, dass du nie wieder trinkst.“ Er antwortete: “Ich trinke nicht, ich schreibe.“ Da umarmte die Kleine ihn erneut und sagte: „Und jetzt versprich mir, dass du nie wieder schreibst.“ Da war er bereit, in den Keller seiner Vergangenheit hinab zu steigen und seinen Roman „Good bye Lemon“ zu schreiben.
Zum Inhalt:
Nach fünfzehn Jahren ist Protagonist Jack Tennant mit seiner Freundin gezwungen, in sein Elternhaus zurückzukehren. Er will die düsteren Erinnerungen nicht heraufbeschwören, seinem Weg treu bleiben und doch Zugang zu seiner Familie finden. Ein Haus gegen ihn, mit ihm, in ihm? Die Konfrontation mit dem „Früher“ scheint zu misslingen.
Zur Veranschaulichung einige der besten Zeilen:
Eine Atempause vor der großen Leere / Ich war ein ängstlicher Typ, vor Schreck verschwanden meine Haare vom Kopf / Es gibt kein Instrumental ohne Instrumente, Hahva / Tote Rosen = Befreiung + Durchsetzung * Frieden (Triumph) / Unser erster Kuss hätte nicht unter dem flackernden, kanariengelben Licht einer Straßenlaterne auf dem Parkplatz einer aus Betonziegeln errichteten Obdachlosenunterkunft stattgefunden, sondern an einem schicken, eleganten Ort, wo es jede Menge Glas, poliertes Leder und geräuschlos spülende Toiletten gab / Mit jedem Drink versuche ich meine Traurigkeit auszuatmen / Ich will etwas Höfliches sagen, doch mein Mund füllt sich mit Schmutz / Sie würde sich gerne von dieser Welt verabschieden: stumm, aber triumphierend / Trinken hat deinen Vater erledigt, Jackson, und du bist deines Vaters Sohn. Nun trink schon.
Und um nichts vorwegzunehmen, solltest Du diesen Absatz nicht vor dem Buch lesen!
Vor der Antwort auf die Frage nach seinem Lieblingssatz im Buch, muss man wissen, dass in der deutschen Ausgabe der gesamte Epilog dem Lektorat zum Opfer fiel. In the american edition, the epilogue follows jack through the next year of his life in georgia. some things are better—he‘s happily back with hahva; he‘s on better terms with his father; his father‘s health improves. but he‘s got a crappy job. he still has no money. he still feels lost. his obsession with dex is unabated. when hahva discovers the journal he‘s been keeping she realizes what he hasn‘t: that he is trying to write a book about dexter. she says that he is still trying to save dexter‘s life–trying to „pull him out of the water with words.“ or, as jack says in the prologue (in the german edition too), he is „trying to write [dex] back to life.“ anyway, i think my favorite line is when hahva realizes that‘s what jack is doing with the book he‘s writing, and jack says, of that book writing, is: „she‘s right. i am still trying to save his life. i‘m trying to save mine, too.“ it‘s not much on a prose-level–there‘s no poetry to it–but the sentiment, i think, captures the feeling of the book—how reading and writing can save a life. i also like „when i kissed hahva in that moment, i felt hundreds of windows flew open inside my heart.“ That‘s a rare feeling in life, and i‘m glad i was able to put it in a book.
Wir treiben weiter durch die Münchner Nacht und Holden Caulfield lässt grüßen, denn ich kann nicht fassen, dass einer meiner Lieblingsautoren mich als Buddy bezeichnet und ich soviel erfahren habe. Adam Davies besitzt für mich nicht nur das Talent herzzerreißende Geschichten zu erzählen, er wählt auch die treffenden Zwischentöne und Einschübe, lässt einen nicht aus dem Griff seiner Erzählung und vollbringt es, den Leser oder die Leserin mit feuchten, traurig-glücklichen Augen zurückzulassen.
Erst gegen sechs Uhr früh ging dieser Abend mit zwei bezaubernden Mädchen an meinem Esstisch zu Ende und ich war mir definitiv sicher, dass es verflucht langweiliges Interview-Understatement war, aber entscheidet selbst. Gestern schickte er mir untenstehendes Foto für diesen Artikel.