Archive for Juni, 2009

Kapitel: Weiter gegangen oder
Die Reise ins Gute

von Roman Libbertz

Sommerferien, die letzten meiner Schulzeit. Jessica, Daniel, Michael und ich, alle achtzehn, ein Umstand, der uns das Fahren von Automobilen ermöglichte. Nicht irgendeinen Wagen, einen Golf, natürlich, genau 1998. In der Nacht vor unserem Aufbruch übernachteten wir bei uns zu Hause, selbstverständlich in getrennten Zimmern. Sie, Jessica, die von einer Photographiekarriere träumte, er, Daniel, der sich dem Wirtschaftswesen, allein durch die Einstecktücher für jeden sichtbar, zu verschreiben gedachte, er, Michael, mit der Brille, mein bester Freund, der über Gott und die Welt Bescheid wusste, die Schule aus dem Ärmel schüttelte, aber meiner Meinung nach von der Außenwelt nicht ausreichend anerkannt wurde und ich, ich. Eine Nacht gemeinsam in meinem Elternhaus, dass im Grunde kein Haus war, jedoch über genügend Zimmer verfügte, um derart tituliert zu werden. Die funkelnden, erwartungsfrohen Augen, die Gemeinschaftskasse mit 2000 Mark, die Holztreppen, sowie die Bodendielen musizierten auf ihre Art als wir zu Bett gingen und die Nacht legte einen kühlen Umhang über die Stadt, das Land und unsere Träume. (mehr…)

Der Geschmack von Beton

von Ariane Sommer

Das Schnappen des Schlosses in der Wohnungstür begrüßt mich zu Hause. Abgestandene Stille versucht, in meinen Kopf zu kriechen. Ein schneller Knopfdruck füllt den Raum mit Licht und Stimmen, die mir auch in meinem von zuckendem Erwachen durchsetzten Schlaf versichern, dass ich noch da bin. Die Mädchen von Next Top Model flackern in meinem Wohnzimmer, fast kann ich sie berühren, ein Armstumpfjunge im Kongo neben seiner starrgesichtigen Mutter, eine undefinierbare blaue Flüssigkeit wird von einer Binde aufgesogen, “Mit der globalen Finanzkrise enden 25 Jahre des Wohlstands”, sagt die Ohneunterleibsfrau aus den Nachrichten, ein Eisbär, nicht Knut, auf einer winzigen Scholle treibend, im Gazastreifen brennt irgendetwas, auf MTV lächelt mich der Schritt von Madonna an, irgendwo auf einer Pressekonferenz spreizt Ahmadinejad seine Lippen, feuchtglänzende Zähne entblößend. Die Stimmen zerren an meinen Synapsen, ich reduziere sie, bis sie nur noch ein Summen sind und schmiege mich an mein Spiegelbild im Fenster, das meine Berührung kühl erwidert, die erste des Tages. (mehr…)

Es ist still in der Wüste

von Boris Guschlbauer

Da stand ich nun, berauscht vom Kif, am Fuße einer gigantischen Düne, im Irgendwo der marokkanischen Wüste. Der heiße Sand brannte unter meinen wund gelaufenen Füßen. Jedes Sandkorn barg ein komplettes Universum in sich. Und so schleppte ich mich bergauf, von Universum zu Universum, rutschte zurück, drei Schritte waren einer in diesem Treibsand der Sphären. (mehr…)

Ein Stück Individualität

DEVAKI

Seit 2003 designt und produziert DEVAKI unter dem gleichnamigen Label limitierte Kleinserien und Einzelstücke von Hüten und Kopfschmuck, aber auch Sommer- und Winterkollektionen. Da Hüte innerhalb der BLANK-Redaktion eine große Rolle spielen, haben wir die Gelegenheit genutzt, um ein paar Fragen loszuwerden.

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BLANK: Was ist das Faszinierende an Hüten und denen, die sie tragen?
DEVAKI: Hut zu tragen verbindet Klassik mit Wagemut – diese Kombination fand ich schon immer spannend. Man kann sich hinter einem Hut verbergen, aber auch sein Gesicht umrahmen, und manchmal beides. Außerdem steht eine persönliche Kopfbedeckung über jedem kurzlebigen Trend – sie bleibt, wie ein Maßanzug, zeitlos schön.

BLANK: Wo hast du die Hutmacherei gelernt?
D: Ich habe im Staatstheater Düsseldorf, die im Kostümbereich eine eigene Hutmacherwerkstatt haben, Modistin gelernt.

BLANK: Wer kann Hüte tragen und wer sollte es besser sein lassen?
D: Manche können fast jedes Modell tragen. Ansonsten sollte man beim Kauf auf folgenden Punkt achten: für längliche Gesichter eignen sich flachere Modelle besser, höhere Hutformen strecken breitere Gesichter. Meine favorisierten Hutträger sind alle, die ganz frei ihrem persönlichen Geschmack folgen.

BLANK: Gibt es so etwas wie einen Lieblingshut, eine Form, ein Model, einen Typ?
D: Mein persönlicher Lieblingshut ist der Herrenhut, in der Form des Trilby oder Borsalino. Sie sind das perfekte Upgrade für Outfits von Männern, sowie Frauen. Selbst Jeans und T-Shirt Kombis verleihen sie dandyhafte Brit-Chic-Attitüde.

BLANK: Ist Berlin die richtige Stadt, um Hüte zu designen und an den Mann/die Frau zu bringen?
D: Berlin ist ein Mekka für Individualisten und somit automatisch Hutstadt.

BLANK: Was zeichnet Deine Hutkreationen aus?
D: Meine Hüte haben eine klare Linie, die durch schlichte Eleganz geprägt ist. Sie passen sich dem Träger und dem Outfit an, was mir wichtig ist, da ein Hut nicht noch viel Exzentrik braucht. Und trotzdem verpasst er dir ein Stück Individualität, wie das kein It-Bag oder High Heel kann!

BLANK: Wie geht es mit Devaki weiter?
D: Es soll da hingehen, wo es meine Hüte hinträgt.

Elmar Bracht

Wir glauben an das Gute

von Stefan Kalbers

Die Ampel steht eindeutig auf Rot. Schon vor vierhundert Metern war das ohne jeden Zweifel klar ersichtlich. Ich wage vorsichtig darauf hinzuweisen, eine Spur zu leise vielleicht. Ich weiß nicht, ob Uwe mich auf dem Beifahrersitz überhaupt wahrnimmt. Wir rasen mit 110 Stundenkilometer in einer Vorstadtgegend auf die Kreuzung zu. Ich schließe beide Augen. Etwas anderes bleibt mir gar nicht übrig. Wir könnten seitlich gerammt werden und beide tot sein. Wir könnten einen Unfall verursachen, sterben und andere mit in den Tod reißen. Wir könnten diesen Unfall aber auch schwerstbehindert überleben. Querschnittsgelähmt, im Rollstuhl, ans Bett gefesselt, Arm oder Bein verlierend und dabei noch andere, Unbeteiligte mit ins Verderben stürzen. Als ich die Augen drei Sekunden später wieder öffne, sind wir schon über die Kreuzung. Es ist kurz nach halb elf an einem Montagabend. Der Verkehr hält sich in Grenzen.

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