Ich komme langsam in ein Alter, wo man gewisse Dinge, die junge Menschen begeistern, nicht mehr so recht nachvollziehen kann. Und andere dafür umso mehr. Meine Tochter zum Beispiel ist High School Musical Fan. Und auch ein bisschen Hannah Montana. Das kann ich verstehen. Ihr hättet mal sehen sollen wie stolz ich war, als ich ihr damals den Soundtrack zum ersten HSM geschenkt habe und sie sich in ihr Zimmer eingeschlossen hat (zum ersten Mal). Da stand sie dann vor dem Spiegel und hat die Songs mitgesungen, dazu getanzt und gehüpft. Gut, wir mussten die Songs dann immer und überall hören. Sie tönten aus ihrem Zimmer, zu jeder Zeit, im Auto wollte sie auch immer nur die Lieder hören und dieses Phänomen erstreckt sich selbstverständlich auch auf Teil 2 und 3. Ich kann also mit Fug und Recht behaupten, alle drei Soundtracks so ziemlich im Schlaf mitsingen zu können. Eher unfreiwillig, aber: Das hat mich daran erinnert, als ich zu Weihnachten im Alter von 6 Jahren die „Thriller“ von Michael Jackson geschenkt bekommen habe. Da ging das nämlich genauso. Ich in mein Zimmer und tagelang nix anderes mehr gehört. „The Girl is mine“ war dabei mein Lieblingslied. Vermutlich ist das auch daran schuld, dass noch heute „I´m a lover, not a fighter“ meine Lebensmaxime ist.
Wie auch immer: Ich kann verstehen, dass Pop auch nach Jahren nichts von seiner Anziehungskraft verliert. Warum sollte er auch. Pop glänzt, strahlt, ist so eine Art heiliger Gral. Transportiert alles, was man ihm aufladen will. Ich hab auch kein Problem damit, dass Kids Lady Gaga gut finden, die ist mir als Role Model gefühlte 6 Milliarden Mal lieber als eine Mariah Carey oder eine Celine Dion. Gut, ich glaube nicht, dass die jemals als Role Model in Frage kam, aber man muss ja auch ein bisschen zuspitzen. Mir ist die auch lieber als Christina Aguilera. Und als Madonna(heute). Ich finde eh, es sollte sich eine neue Schreibweise etablieren. Wenn man von Madonna spricht, sollte man immer schreiben Madonna(heute) oder eben Madonna(damals), das ist nämlich ein eklatanter Unterschied. Damals: Ein pfiffiges Pop-Produkt, ebenso sexy, wie hookig, wie innovativ, wie genial. Heute: Ein altes Pop-Produkt, ebenso alt, wie alt, wie alt, wie alt. „Geh von der Bühne runter, alte Frau mit viel zu trainierten Oberarmen, hier kommt deine Ablösung!“, ist zumindest der Satz, den ich mir immer von Lady Gaga zu Madonna(heute) rufend vorstelle. Ob sie wirklich eine Ablösung ist? Keine Ahnung. Wäre ich Wahrsager, wäre ich in der Musikindustrie. Oder nee, lieber doch nicht. Dann wäre ja Dieter Gorny mein Sprachrohr.
Wie gesagt: Das kommt alles noch in den Ordner, auf den ich mit Edding fett „Verstehe ich“ geschrieben habe. Aber daneben steht einer, da war früher vielleicht mal ein Blatt drin, aber der hat sich über die letzten Jahre beständig mit Notizen gefüllt. Und da steht eben fett „Verstehe ich nicht“ drauf, dreimal unterstrichen.
Auf einem Blatt steht einfach nur dick geschrieben: Slam Poetry. Ich gebe zu, anfangs eine gewisse Faszination für das Thema gehabt zu haben. Ich fand diesen „unverkrampften Umgang mit unserer Sprache“ (das schreiben Feuilletonisten doch immer so, wenn die über Slam Poetry schreiben, oder?) ganz spannend und originell. Dann hab ich mir das ein bisschen mehr angeguckt und gehört und mittlerweile muss ich ihnen zurufen: Okay! Es ist gut! Ich glaube wir haben jetzt alle Alliterationen, die das Alphabet anbietet, durch! Geht weiter oder hört auf, aber das muss ich nicht mehr haben. Überhaupt: Dieses gestresst durch einen Text hetzen, nur um zu zeigen, dass man gestresst durch einen Text hetzen kann, das kann ich nicht mehr hören. Das bleibt dann auch inhaltlich immer gleich. Mal ein bisschen Politik, am besten gewürzt mit einer Prise Alltagsbeobachtungen, wie die Oma, die in den Bus steigt (Oma Ornella ordnet obsolete Obuli offensichtlich obrigkeitshörig ornithologisch. Oder so.), fertig ist der Gewinnertext des Lübecker Lokal-Slams, der dann auch bei den Niedersächsischen Meisterschaften antreten darf. Vereinsmeierei trifft den Wunsch nach Literatur. Und das am besten kneipenkompatibel. Nein, nicht mit mir. Da habe ich vermutlich über die Jahre einen eher inhaltlichen Anspruch entwickelt, der meiner Begeisterung für Slams diametral entgegen gesetzt verläuft.
Was ich auch nicht verstehe: Comedy. Also, ich verstehe sie schon ein Stück weit, aber ich weiß nicht, warum das alles so mittelmäßig sein muss, wenn man sich schon an amerikanischen Vorbildern orientiert. Ich war, jedes Mal wenn ich in USA war, immer abends in Stand-Up Clubs und was ich da von absoluten NoNames geboten bekommen habe, war mehr Talent für Witze und Punchlines im kleinen Finger als eine Cindy aus Marzahn in ihrem ganzen Körper haben könnte. Die Sender wundern sich, dass die drölfte Sketchshow, die nichts anderes bietet als unbekannte Gesichter, nicht funktioniert. Man möchte ja gerne Comedy machen, man weiß nur eben nicht wie. Dabei habe ich einen exklusiven Tipp, den ich jetzt hier mit euch teile. Behaltet das bitte für euch, nicht weitersagen, streng exklusives Geheimwissen, aber ich weiß ja, dass ich euch vertrauen kann, also: Mein Ratschlag, um Comedyformate zu retten, lautet: Macht was Lustiges! Aber Pssssst! Geheim! Wobei, das ist unfair. Es gibt sehr lustige Menschen in Deutschland, die auch auftreten. Nur werden die eben lautstärkenmäßig von den Barths und Pochers dieser Welt übertönt.
Nun, für was kann sich ein junger Mensch heute sonst noch so begeistern? Hello Kitty auch nach Beenden der Schullaufbahn noch cool finden? Nun ja, muss ich nicht verstehen. Andererseits: Ich würde mir auch noch originalverpackte Masters-of-the-Universe-Figuren ins Zimmer stellen. Aber ich hab ja auch eine Geschichte mit denen. Während es von Hello Kitty noch nicht mal einen offiziellen Club gab, in dem man Mitglied werden konnte und der einen dazu anhielt, Gutes zu tun. Das gab es nämlich von He-Man. Ich habe dahin geschrieben und die haben mir super viel Infomaterial zukommen lassen und dazu geschrieben, man solle als Masters-Clubmitglied Gutes tun und Protokoll darüber führen, wo die Gruppe heute wieder Gutes getan hätte und sich dann selbst Abzeichen dafür verleihen, die als Sticker dem Brief beilagen. Und wenn man ein volles „Gute-Taten-Journal“ hatte, dann konnte man das denen einschicken und hat dafür eine ominöse Überraschung bekommen. Nun, meine kriminelle Energie war schon in jungen Jahren viel zu gering ausgeprägt und ich wollte dem Vertrauensvorschuss, den ich von Mattel bekam, alle Ehre erweisen und keine Taten erfinden. Nun gestaltete sich die Akquise von Teammitgliedern schon schwierig genug. Mein bester Freund spielte lieber mit seinen Massen an Star-Wars-Figuren, und wollte sich mit Man-At-Arms und Orku nicht abgeben und in meiner Klasse sah es mit Teammitgliedern, die an einer ernsthaften Ausführung eines solchen Clubs interessiert waren, auch eher mau aus. So saß ich also oft in meinem Zimmer und betrachtete die Bögen mit nie-verliehenen Belohnungsstickern traurig, bevor ich sie wieder in der Aufkleberkiste verschwinden ließ. Ich bekam auch noch einige Male das Clubmagazin zugeschickt, aber da ich nie zurückschrieb (ich hätte so gerne, aber was hätte ich ihnen sagen können?!?!), schlief das auch bald ein. Vielleicht haben sie auch einfach nur diese schwachsinnige Kundenbindungsaktion beendet. Ich gehe nicht davon aus, dass eine Pfadfinder-Ripoff-Organisation auf Freiwilligen-Basis von großem Erfolg gekrönt war. Nicht mal bei der Macht von Greyskull. Aber um es kurz zu machen: All das, so sinnlos die Versuche auch gewesen sein mögen, gab es von Hello Kitty nie. So.
Ich war danach noch im Drei???-Detektiv-Club. Da hat man eigentlich nicht viel mehr bekommen als eine, wie eine Zeitung aufgemachte, Neuigkeiten-Postille, in der stand, welche neuen Bücher es um Justus, Peter und Bob zu kaufen gäbe. Von geheimen Aufträgen, Rätseln, die es zu knacken galt oder sonstigem Inhalt, der einem das Gefühl hätte geben können, ein richtiger Detektiv zu sein keine Spur. Damit war für mich eine offizielle Clubzugehörigkeit erstmal beendet und ich tat das einzig Richtige in der Situation, was jeder andere auch getan hätte: Ich gründete ein Detektivbüro. Das Schild mit Filzstift war schnell gemalt und an meiner Zimmertür befestigt. Schmissig stand da: „DSUDS – Ermittlungen aller Art – Keine Ehefälle“. Und tatsächlich überraschend bekam ich zum folgenden Geburtstag ein Hammergeschenk: Edle, geprägte, echte Visitenkarten für unsere Detektei. Der gleiche Text wie auf dem Schild, nur noch mit Adresse von mir und meinem Partner ergänzt, inklusive Telefonnummern. Jetzt waren wir echte Detektive. Dabei hatten wir zwei große Fälle in unserer Ermittlungskarriere:
Erster Fall: Die Frau am Fenster. Möglichst unauffällig streiften wir durch unsere Siedlung und guckten, ob es Fälle zu lösen galt. Lupe, Fingerabdruckpulver, Detektivset, alles hatten wir dabei. In einer kleinen Straße mit mehreren Bungalows fiel sie uns dann aus dem Augenwinkel auf: Eine Frau hatte uns beobachtet. Sofort wurden erste Maßnahmen eingeleitet und wir versteckten uns hinter dem Gebüsch der Nachbarn, um zu beobachten, ob die geheimnisvolle Frau etwas im Schilde führte. Von unserem, vermutlich unüberhörbarem, konspirativem Gewisper aufgeschreckt, blickte sie noch mal durch die Häkelgardine nach draußen. DA! Sie guckte schon wieder! Die musste doch ein schlechtes Gewissen haben! Sofort notierte ich unsere Beobachtung. So ging das den ganzen Nachmittag. Sie guckte, wir guckten. Irgendwann wurde es ihr wohl zu blöd und sie kam raus, um uns zu verscheuchen. Wir gingen, taten als ob nichts wäre, aber uns war klar: Die führt was im Schilde. Wir beobachteten sie noch einige Male, aber wir fanden nichts weiteres heraus, bis wir den Fall dann eines Tages zu den Akten legten.
Zweiter Fall: In unserer Nähe war eine bekannte Kiesgrube. Mit einem kleinen, etwas entlegenen Plätzchen, wo immer Lagerfeuer gemacht wurden. Mehr oder weniger illegal. Und was fanden wir dort eines Tages? Ausweispapiere! Führerschein, Reisepass, Perso. Alles von einer Frau. Wir brachten sie nach Hause, um mit unseren Vorgesetzten (unsere Eltern) das weitere Vorgehen zu besprechen. Sie fanden die Nummer der Frau über die Auskunft heraus, riefen sie an und sie kam, um sich ihre Papiere abzuholen. Überglücklich. Wir bekamen sogar eine Belohnung von 10 Mark pro Kopf. Welche wir erstmal geschickt anlegten: In Figuren und Fahrzeuge von „Mask“. Mit dem Start der Mask-Sammlung schlief dann auch unser aufklärerisches Engagement ein. „DSUDS“ schloss seine Pforten. Übrigens: Der Name war eine Abkürzung für „Der Schnelle und der Schlaue“. Super Team-Name.
Gründen junge Menschen heutzutage noch Detekteien? Oder ist alles so, wie es Kulturpessimisten immer behaupten, nur noch Spongebob, Manga und Disney? Nun, aus eigener Erfahrung, ich kann euch beruhigen. Erst gestern wurde ich von meiner Tochter, 8, in einen im Wohnzimmer aufgebauten Freizeitpark eingeladen, das Lieblingskuscheltier hat mir dabei meine Eintrittskarte verkauft. Einzig irritierend war der Name des Parks: „Die Fünf-Euro-Schein-Welt“, weil man da alles mit eben diesen Scheinen bezahlen sollte. Toll, was die heutzutage so alles lernen. Und Fünf-Euro-Scheine können selbst mich als Erwachsenen genauso begeistern wie sie.