Ommwriter

Das hier soll mein erster Text werden, den ich mit dem sogenannten “Ommwriter” schreibe. Ein Textprogramm für den Mac, das ich erst vor kurzem entdeckt habe, weil jemand auf seiner Facebookwall darauf hingewiesen hat. Das Besondere an diesem Textprogramm ist die Reduzierung auf einen Hauch von nichts. Ich hab keine 5000 klickbaren Möglichkeiten, sondern ein ganz weißes Bild als Hintergrund, mit zwei Bäumen im Schnee/Nebel und dazu gibt es eine Art Ambient-Musikuntermalung, die nicht ablenkt, sondern noch mehr beim Fokussieren helfen soll. Sobald ich die Maus bewege, erscheint um den Text herum ein eher rudimentäres Menü, in dem ich aus drei Fonts, einigen anderen Hintergründen und weiteren Audiotracks auswählen kann. Das ist alles. Und das lustigste daran ist eigentlich: Es scheint, als hätte man auf so was nur gewartet.

Mit der Konzentration ist das ja so eine Sache heutzutage: Überall wird sie verlangt und erwartet. Und je mehr Wert drauf gelegt wird, desto irrsinniger erscheint es mir. Also, nicht dass ich jetzt irgendwie Opfer einer späten Diagnose der Fantasy-Krankheit ADS werde, so ist es nicht. Es fällt mir unter gegebenen Umständen nicht schwer, mich zu konzentrieren. Aber ich finde, man muss damit haushalten, weil jeder Scheiß nach Aufmerksamkeit schreit. Plakate mit Bluetoothgedöns, Fernsehshows mit Twitter-Account, Bands mit Kostümen und Spektakel. Das kann und will ich mir nicht alles gleichzeitig antun. Andererseits gibt es genug Momente, in denen ich mich freiwillig, vielleicht sogar sehr gewollt und forciert einem Medienoverkill aussetze. Zum Beispiel wenn ich am Computer arbeite (oder eben nicht arbeite) und dazu auf dem Fernseher die DVD der Alf-Staffel laufen lasse, meine Konsole angelassen habe und das Spiel bloß auf Pause gestellt hatte, woran mich das blinkende Licht auf dem Controller mahnend erinnert, das Handheld liegt zugeklappt neben mir auf dem Nachttisch, mein Handy signalisiert Empfangsbereitschaft und der Stapel Comics neben mir liest sich auch nicht von alleine. Das ist schon eine Menge Information, die man da zu managen hat. Ich weiß nicht, ob das den meisten so geht, oder ob das ein Problem von mir ist. Was ich aber weiß, ist, wer daran schuld ist: Frank Elstner.
Moment mal, DER Frank Elstner? Ja und ja und nochmals ja. Meines Erachtens war Elstner der Erste, der uns Zuschauern so etwas wie crossmediales Multitasking abverlangt hat. Der Erfolg hat ihm zwar in dem speziellen Fall leider nicht Recht gegeben, aber wer erinnert sich nicht noch an „Nase vorn“, auch wenn es ein Flop war? Da musste man doch die ganze Sendung über achtsam sein, weil man an gewissen Stellen irgendwas auf der speziellen „Nase Vorn“-Rubbelkarte (die es, wenn ich mich recht entsinne, nur in der „Hör ZU“ gab) freirubbeln musste. Und daraus sollte sich dann wohl eine Telefonnummer ergeben, die man dann anzurufen hatte, wenn sie komplett war und schon hatte man gewonnen. Oder werfe ich das gerade mit irgendwas anderem durcheinander?

Überhaupt: Ich kann mich an gewagte Fernsehexperimente aus meiner Jugendzeit erinnern, die dann immer weniger wurden und weniger und weniger. Nehmen wir mal „Verstehen Sie Spaß?“. Die hatten ja als Maskottchen damals den „Spaßvogel“, ein Cartoonhuhn, das so ein bisschen gewollt ulkig aussah. Vom Spaßvogel gab es später auch Hörspielkassetten, eine hatte ich und die hatte ein wirklich bescheuertes Titellied, das ging:

„Knapper, knapper, schubidubidapper, schubduwah und Gänseklein. Knapper, knapper, schubidubidapper – ein bisschen Stretch muss sein.“

Ein bisschen „Stretch“? Das sollte „Stress“ im komischen Spaßvogeldialekt bedeuten. Das alleine war schon sehr seltsam, aber dann noch die eigentliche Aussage, dass ein bisschen Stress sein müsse… Das hab ich schon als Kind nicht kapiert und das verstehe ich heute, rückblickend, auch immer noch nicht. Warum, bitte schön, muss Stress, und wenn es auch nur ein bisschen ist, sein? Und warum sagt das ausgerechnet der SPASSvogel? Das hat irgendwie nicht zusammengepasst. Was ich damals für seltsame Hörspiele hatte. Ich hatte zwei Platten von Yps, die waren schon komisch erzählt, aber die Platte namens „Mopsi Mops“ toppte wirklich alles: Es ging darum, dass in einer Welt, in der alle Hunde sind, ein verrückt-genialer Wissenschaftler eine Strahlenpistole erfunden hat, die diejenigen, die man damit beschoss, einmal komplett umkrempelte. Literally. Das heißt alle Gedärme und so was kamen nach außen und Haare und der ganze Kladderadatsch gingen nach innen. Wohlgemerkt: Es handelte sich hierbei um ein lustiges Kinderhörspiel! Da gab es diese Szene mit dieser Opernsängerin, die immer alle genervt hat mit ihrem Gesang und die wurde dann beschossen und das Singen ging über in ein Gurgeln, begleitet von so Matschgeräuschen. Das werd ich nie vergessen. Nun, ich fand das ehrlich gesagt auch nicht besonders gruselig (obwohl ich immer ein ängstliches Kind war), aber wirklich lustig fand ich es auch nicht. Ich habe dem immer zugehört mit einer gewissen Faszination. Vermutlich war das der Grundstein dafür, dass ich mir auch heute noch mit der gleichen Art von Faszination schlechte Fernsehsendungen angucke.

Es gab aber natürlich auch positive Beispiele merkwürdiger Hörspiele, wie zum Beispiel die beiden von Henning Venske: „Als die Autos rückwärts fuhren“ und „Krawumm“. In ersterem geht es um einen Jungen, der auf den Namen „Lass das Pinöckel Superstar“ hört (und der denkt, dass „Lass das“ sein Name sei, weil ihm seine Eltern das schon von Klein auf immer gesagt haben), wohingegen das andere eher so eine Art Collage ist, mit kurzen Sketchen, in denen zum Beispiel die Kinder das sagen, was die Eltern immer sagen und umgekehrt und dazwischen kommen immer Lieder. Einer der Songs, der von den Eltern gesungen wird, geht beispielsweise so:

„Arbeit verrichten.
Wir leisten uns nichts…
Und du? Und du? Und DUUUHUUU?
Unser Sohn
liegt faul
auf dem Sofa…
Grins nicht, dummer Bengel,
was hast du dir dabei gedacht?
Du bist alles andere,
als ein Sohn der Freude macht.“

Das atmet natürlich den Hauch des rebellischen, der anti-autoritären Kinderläden, des Kampfes der Kinder gegen das Establishment. Die Platte ist ja auch damals beim Label „Pläne“ erschienen, die sonst hauptsächlich Hannes Wader, Degenhardt und wie sie alle heißen, veröffentlichten, der Eindruck ist also nicht ganz verkehrt. Abgesehen davon, dass Wader selbst auch noch ein Lied zu „Krawumm“ beigesteuert hat, das „Ich hab keine Lust“ heißt und aus lauter „Zwangsreimen“ besteht. Ein Beispiel:

„Ich hab keine Lust, ich hab keine Lust
ich hab wirklich keine Lust…
Steig ich morgens aus der Falle,
geht’s gleich los mit voller Palle.
Du musst dir noch das Hälschen
waschen,
Gesund ist’s, einmal kalt zu daschen.
Wie kannst du hier so ruhig sitzen?
Du musst dir noch die Zähne pitzen…“

Und so weiter. Das war wirklich eine super Anti-Platte für Kinder. Ich hab mir die mit meinem besten Freund immer aus der Stadtbibliothek geliehen und wir haben die rauf und runter gehört. Ein großartiges Werk. Kann ich noch heute fast auswendig mitsprechen. Was daran noch so cool war: Wenn wir eine Familientour im Auto gemacht haben, hab ich die Kassette irgendwann eingelegt und auch meine älteren Geschwister fanden die lustig. Das war ein nicht zu unterschätzender Bonus, war meine Familie doch sonst eher genervt, wenn ich wieder „Benjamin Blümchen trifft Bibi Blocksberg“ übers Autoradio hören wollte. (Was im übrigen dazu führte, dass sie mir sehr früh einen eigenen Walkman zu Weihnachten schenkten… mit Auto-Reverse!)
Aber, oh, ich bin ein bisschen vom Thema abgekommen. Also der Spaßvogel: Bei „Verstehen Sie Spaß?“ war das Zuschauerspiel dann nämlich so, dass immer gesagt wurde: „Nun fährt ein Auto mit dem Spaßvogel auf dem Dach irgendwo durch Deutschland und wenn Sie das sehen, dann rufen Sie die Nummer an, die auf dem Auto steht und dann werden Sie zu uns in den Saal durchgestellt und haben etwas gewonnen!“ Nun waren mir als Kind einige Dinge schon klar und dennoch: Ich habe mir immer vorgestellt, dass da der animierte Vogel auf dem Auto sitzt, auch wenn ich mir nicht so richtig erklären konnte, wie das gehen soll. Das Auto wurde nämlich nie gezeigt. Und so sprang ich immer auf und rannte zu unserer Haustür und hielt Ausschau. In einer Siedlung in der Nähe von Köln. Klar. Da fährt das Auto ja auch nachts durch die unbelebten Straßen. Egal, ich habe die Hoffnung trotzdem nicht aufgegeben, dass es irgendwann einmal vorbei kommt. Was es, natürlich, nie tat.

Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass es ein einziges Mal einen Krimi gab, der gleichzeitig auf ARD und ZDF lief, der aber zwei verschiedene Hauptcharaktere hatte. Man konnte aber, wenn die sich trafen, hin und her schalten und sah dann das Geschehen aus der jeweils anderen Perspektive. Wahnsinn! Warum wurde das nicht öfter gemacht? Oder diese komische, österreichische Märchensendung im Zweiten, zu der man ein ganzes Heft brauchte, um bei allen Spielen mitzumachen. Wie hab ich mir dieses Heft gewünscht. Aber auch hier: Nie bekommen.

Und deswegen sind die alle schuld, dass ich heutzutage versuche, 27 Dinge auf einmal wahrzunehmen. Ich möchte eben kein Heft verpassen, keine Rubbelkarte und erst recht nicht das Auto mit dem Spaßvogel auf dem Dach. Und jetzt Parker Lewis DVD angemacht, iTunes öffnen und auf Shuffle stellen, Toast in den Toaster, meine beste Freundin anrufen, „Brütal Legend“ starten, Textverarbeitung auf, Mails checken, einen Tweet formulieren, einkaufen gehen, meine Jacke zum Schneider bringen, Zigarette an und die DC-Hefte aufs Klo bringen: Ich versuche hier schließlich, mich zu konzentrieren!

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