Archive for Oktober, 2011

Benedict Wells

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Bücher haben bei vielen meiner Freunde den Ruf, langweilig und einschläfernd zu sein. Umständliche Sätze, endlose Beschreibungen anstatt fesselnder Geschichten. Das muss verflucht noch mal nicht sein! Ein Ansatzpunkt. Durch den Bezug zum Autor oder die Hintergründe, warum dieser oder jener Roman geschrieben wurde, kann Verborgenes sichtbar und ein Buch zu mehr als einem Buch werden. Kinderleicht. Mir geht es jedenfalls so. Hier der Versuch, einen Roman für dich lebendig zu machen. „BECKS LETZTER SOMMER“ (mehr…)

John Niven: „Gott bewahre“

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Alter, ist Gott angepisst … Da ist der gute Mann mal eine himmlische Woche (etwa 450 Erdenjahre) angeln und schon geht auf der Erde alles fürn Arsch. Jesus hat es wirklich etwas schleifen lassen. Denn der ist zwar gutmütig bis ins Mark, aber auch von einer so verkifften Entspanntheit, dass ihm Waldsterben, Homophobie und eine völlige Pervertierung der Lehre seines Vaters auf Erden einfach mal so durchgerutscht sind. Dabei hatte sein Vater dereinst eigentlich nur ein SEID LIEB! gen Berg Sinai gesendet.

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Entsprechend düster und dramatisch fällt die Bestandsaufnahme aus, nachdem Er seinen ersten Tag im Büro hinter sich gebracht hat. Meeting jagt Meeting und zu guter Letzt muss sich Gott auch noch mit dem Teufel, der eigentlich ein ganz dufter Typ ist, besprechen und ihn nach seinem Geheimnis fragen. Denn der schreibt seit vielen Jahren tiefschwarze Zahlen, weil er seine Räumlichkeiten an immer mehr katholische Geistliche loswerden kann. Und so muss Jesus, der eigentlich lieber den ganzen Tag mit Hendrix Riffs austauscht, wieder mal nach unten, um die Sache gerade zu biegen. Und zwar in Gestalt eines erfolglosen, aber überaus charismatischen und talentierten Musikers im New York unserer Tage. Doch das Geschäft ist hartes Brot und JC kriegt einfach kein Podium, um das väterliche Gebot loszuwerden. Was liegt daher näher, als einen Roadtrip gen L.A. anzutreten, um dort an einer landesweit ausgestrahlten Castingshow teilzunehmen? Was bleibt einem heutzutage auch anderes übrig…

John Niven schafft es mit „Gott bewahre“, sich mal so richtig in die Nesseln zu setzen. Zumindest bei den Amis. Denn er beschreibt nicht nur die völlig korrumpierte Unterhaltungsindustrie (wir erinnern uns an „Kill Your Friends“), sondern vor allem eine durch und durch fehlgeleitete US-Kirche in all ihren Splittergruppen. Und er tut dies so brilliant, dass man ständig brüllen möchte „ALTER, DAS IST JESUS PERSÖNLICH!“ „Gott bewahre“ ist schmerzhaft, bizarr, traumatisch, unglaublich komisch und dabei so hintersinnig, dass es auf dem Weg ist, das Buch des Jahres auf dem Unterhaltungssektor zu werden. Niven lässt seine Figuren so herrlich ungezügelt, dabei aber so gestochen scharf gezeichnet von der Leine, dass man ständig zwischen “Ne, das kann er jetzt nicht machen” und „Ich glaub, er macht das wirklich…“ oszilliert. Das Buch ist so voller Wendungen, toller Figuren, Zitate, Querverweise und guter Ideen, dass man sich nur fragt: Warum nochmal hat es so lange gedauert, bis mal jemand eine solche Geschichte aufgeschrieben hat? Antwort: Weil John Niven vorher keine Zeit hatte!

Auszug:

„Nun ja, laut einiger ziemlich stichhaltiger Erhebungen liegt die Zahl der Amerikaner, die an den Kreationismus glauben, bei vierzig bis fünfundvierzig Prozent der Bevölkerung“, sagte Matthäus.

Gott hört auf zu lachen. „Was?“, fragt Er, jetzt sehr leise.

„Ja“, sagt Matthäus. „Sie lehren es sogar in den Schulen.“

„Sie bringen diese Scheiße“, sagt Gott langsam und beißt sich dabei auf die Unterlipe, „ihren Kindern bei?“

„Ähm, ja.“

„WILLST DU MICH VERARSCHEN?“

Gott schlägt alles kurz und klein. Akten fliegen durch die Luft, ein schwerer Aschenbecher zerschmettert an der Wand, eine Kaffeetasse fliegt hinterher, ein Stuhl geht entzwei. Alle starren in ihre Unterlagen, warten darauf, dass der Ausbruch vorübergeht. Schnaufend nimmt Gott schließlich wieder Platz und blättert durch Seine Aufzeichnungen. „Aber was“, fragt Er schließlich, „ist mit diesem Jungen, Darwin? Er hat doch eigentlich alles kapiert.“

„Aye“, sagt Andreas. „Sie nennen ihn einen Teufel.“

„Sind diese Leute eigentlich wirklich allesamt Geisteskranke?“

„Hat ganz den Anschein, Herr.“

„Ich meine“, Gott nimmt einen Joint aus dem Aschenbecher und hält ihn in die Höhe, „rauchen die nicht genug Gras?“

Till Erdenberger

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