ANKERHERZ, der Verlag mit den starken Werten, den wahren Helden und den außergewöhnlichen Geschichten hat es wieder getan: Ein ganz außergewöhnliches Buch vorgestellt, das den Leser direkt in sich hinein zieht, wie ein Wellental den eben noch auf dem Kamm tanzenden Trawler. “Northwestern” erzählt die Geschichte von Sig Hansen und seiner Familie, einer norwegischen Fischerdynastie an der Westküste der USA. Es handelt vom harten Leben auf der offenen See, von Freundschaft, Brüderlichkeit, Loyalität, Freude und Verlust.
Regisseure machen aus diesen Zutaten gleich drei schmierige Kitschblockbuster. Mark Sundeen, der Reporter des New York Times Magazine, der die Geschichte der Hansens aufgeschrieben hat, verdichtet alles auf ca. 230 Seiten und schafft damit viel mehr, als es Hollywood je zu leisten im Stande wäre: Man malt seine eigenen Bilder zu den eindringlichen Schilderungen in Seefahrerprosa, der Puls schlägt im Takt der Dieselmotoren und es fühlt sich an, als stünde man beim Lesen knöcheltief im eiskalten Wasser der Beringsee, nur aus Loyalität den Protagonisten gegenüber. Was hängen bleibt, nach der Lektüre dieser liebevoll erzählten Ode an die See, den Zusammenhalt und den allgegenwärtigen Gefahren der Fischerei in lebensfeindlicher Umwelt: Wofür Österreicher 40 Kilometer in die Luft gehen müssen, erlebt man auf offener See jeden Tag aufs neue umsonst. Kaum zu kalkulierende Naturgewalten, die tödliche Gefahr, die auch kleinste Fehler im Zusammenspiel aus Mensch und Ausrüstung heraufbeschwören und am Ende des Tages die Faszination, den Gewalten getrotzt und dem wilden Leben einen weiteren tag abgetrotzt zu haben. “Northwestern” ist so spannend, wie die Krabbenjagd in den nördlichsten Gefilden, so herzerwärmend, wie es nur die Geschichten von Freundschaft unter Männern sein können und so fesselnd, wie die Leine eines losgerissenenFangkorbes bei Windstärke 13, der sich in Windeseile um deine Knöchel geschlungen hat, um dich herab zu ziehen in die tosende See. Genau in diesen Momenten ist man nämlich froh, Männer wie Sig Hansen bei sich zu haben. Und sei es auch nur 230 Seiten lang. Zum Glück ist “Northwestern” wie alle Bücher des Verlages etwas zum daran festhalten. Schwer in der Aufmachung, griffig und liebevoll. Ankerherz macht Bücher, denen man sich gerne anvertraut. Zumindest tagelang. Um sich ihnen wochenlang auszuliefern, dafür sind sie leider viel zu kurz.
Till Erdenberger