Politik der Gefühle. Gefühle der Politik. Politik für Gefühle. Der Streitraum der Berliner Schaubühne in der Spielzeit 13/14

Zum Auftakt der Streitraum-Saison 2013/14, die unter dem Motto “Politik der Gefühle” steht, hatte sich Carolin Emcke, die Kuratorin und zugleich Moderatorin der Reihe ist, am vergangenen Sonntag die israelische Autorin und Soziologin Eva Illouz eingeladen, die sich in ihren Büchern wie “Gefühle in Zeiten des Kapitalismus” und “Warum Liebe weh tut” damit beschäftigt, wie sich Emotionen, Gefühle und Liebe durch, mit und über Kommunikation, Konsum und Kapital verändern. In ihrer aktuellen Veröffentlichung “Die neue Liebesordnung. Frauen, Männer und „Shades of Grey“” arbeitet sie sich am erotischen Weltbestseller “50 Shades Of Grey” und dem heteronormativen Überbau ab. Das garantiert thematische Steilvorlagen für die Bühnensituation und die aufbereitenden Gespräche hinterher.

Gleich zu Beginn klärt Carolin Emcke über den Etikettenschwindel auf: Im Streitraum wird nicht gestritten. Im Streitraum, zumindest in diesem der Berliner Schaubühne, wird einmal im Monat gemeinsam gedacht, werden Gedanken zusammengeführt und Komplexes versucht in Einfaches zu synchronisieren, um einem gut gelaunten Publikum auf Kirchgang-Ersatz einen Ausschnitt aktueller Diskursmuster als sonntägliche Konversationsstütze für Kaffee und Kuchen zu offerieren. Wir nehmen dankbar an. Die Bühne sei unsere Kanzel. Der Diskurs das Gebet. Hinterher gibt es Schnitzel und wir reden über BDSM.

In der Schaubühne spürt man die intellektuelle Wohlfühlzone und nimmt sie an einem Sonntagmittag gerne an. Das Zeigen, das Darüber Reden und letztendlich das Haben von Gefühlen ist in unserer Gesellschaftsverfassung ja fast schon wieder subversiv. Also machen wir weiter damit. Beziehungsweise: Hören wir zu. Lassen wir die Gedanken schweifen. Beleuchten wir die Gefühle des Politischen, die Politik der Gefühle, die gefühlte Politik und die Gefühle in der Politik. Warum nicht, wenn wir uns schon in der Wohlfühlzone befinden. Wir sollten diese Chancen ergreifen. Sie sind historisch selten. Das sich auf der Bühne entwickelnde und auf Englisch geführte Gespräch hat irgendwann seine Tonalität gefunden und mäandert, doch irgendwie fehlt der Mut dem Publikum mehr zuzumuten als es bereits weiß. Das alte Spiel. Hier findet es eine Fortsetzung. Ein Bruch mit Konventionen, das Auflösen der Prämisse nicht streiten zu wollen, hätten dem Gespräch vielleicht gut getan. In manchen Momenten hat man das Gefühl Emcke will mehr, dann wird sie fordernd und erklärend, doch wenn sie Gefahr läuft Precht zu werden, rettet sie ihr aufrichtiges Interesse am Thema und am Gegenüber. Doch was haben hier die subjektive Rezeption einer Live-Situation und persönliches Empfinden zu suchen, wenn es an einem Sonntagmittag nur darum gehen kann, sich ein bisschen mit Emotionen zu beschäftigen.

Irgendwann klingelt im Gespräch ein Handy. Frau Illouz greift in ihre Tasche. Es ist der Sohn. Sie drückt ihn weg oder lässt es ausklingeln. Muttergefühle sind heute kein Politikum. Dann ist das Gespräch beendet. Das Wochenende aufgewertet. Die Seele gestreichelt. Der intellektuelle Affe gefüttert. Nur satt ist er natürlich noch lange nicht. Aber die Streitraum-Saison hat ja auch gerade erst begonnen.

Die nächsten Termine:
27.10.2013 um 12h, Gast: Aaron Ben-Ze’ev
“Kritik der Emotionen – oder wie vernünftig sind eigentlich Gefühle?”

17.11.2013, 12h, Gast: Andreas Huckele
“Macht, Sexualität und Gewalt”

Links:
Homepage Carolin Emcke
Eva Illouz bei Suhrkamp
Streitraum 13/14
Schaubühne auf Twitter

(JF)

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