Gute Nachrichten für alle DER W-Fans: Stephan Weidner scheint ganz bei sich selbst zu sein. Das heißt bei dem umtriebigen Musiker natürlich nicht, dass es darum geht, den Status Quo irgendwie und um jeden Preis zu konservieren. Im Gegenteil: Es geht weiterhin darum, sich neue Horizonte zu erschließen – nur dass der Boden zum Abstoßen trittfester und sicherer zu sein scheint. Ganz im Gegensatz zum Vorgänger “III”, dem man die weidnersche Aufbruchstimmung nicht so ganz abnimmt und den ein tiefer Riss durchzieht, ist “IV” eine Frohe Botschaft für alle Weidner-Jünger und solche, die es gerne wieder werden wollen.
Schon im Opener “Neuland” wird die Richtung vorgegeben: “Ich will dahin/ Wo ich Fremder bin/ Weit weg von Routinen/ Die Freiheit zu fühlen”. DER W feiern 2016 die Freiheit, die Chancen, das was ist und das was sein kann. Wo früher Schatten war, ist heute immer mindestens eine Spur von Licht, Weidner übernimmt textlich nicht mehr die Verantwortung für alles und jeden, sondern nur für sich und die, die sich bei ihm heimisch fühlen. “IV” ist dabei noch lange kein irgendwie ayurvedisch schmeckendes Psychopharmaka und kein Gute-Laune-Soundtrack zum aufziehenden Sommer. Nein, dafür fehlt Weidner sicher die Zeit und die Lust. Es knarzt im gesellschaftlichen Gebälk (“Vorhaut, Kopftuch, Kruzifix”), es geht um ein durchgedrücktes Rückgrat und auch ein bisschen optimistischen Eskapismus im Angesicht drohender Verzweiflung (“Justitia”) und dann gibt es noch ganz obligatorisch für den Zeitgeist auf die Rübe (“Welt ohne Farben”). Aber was den Vorgänger noch anstrengend gemacht hat, geht “IV” fast vollständig ab: Dieses schleichende Gift der Schwermut, das sich mal höher, mal weniger hoch dosiert durch das 2012er-Werk gezogen hatte. DER W präsentiert sich textlich optimistisch, lässt viel Luft zum Atmen und ebenso viel Licht im Dunkeln. Musikalisch ist “IV” die Evolutionsstufe, die DER W zwischen dem 2010er-”Autonomie” und “III” übersprungen hatten: Das selbstbewusst gedrückte Gaspedal trifft auf die stonerig groovende, metalisch dröhnende Detailversessenheit von “III”. Das ist nicht immer – zum Beispiel beim sperrigen “Danke für mein Leben” oder “Der Schmerz verlangt gespürt zu werden” – alles andere als Easy Listening. Aber das ist auch nicht die Idee hinter DER W.
Wenn “III” das Herbstalbum ist, ist “IV” das DER W-Frühlingsalbum. Alles öffnet sich, alles kann schon schön sein – und wenn es das noch nicht ist, liegt noch irgendwo ein ganzer Sommer vor uns.
(Carsten Zimmer)
DER W – IV
W Entertainment/ Tonpool
VÖ: 18.03.