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Christan Kracht: „Imperium“

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Der 1966 in der Schweiz geborene Christian Kracht, der neben von Stuckrad-Barre in den Neunzigern zum Pop-Literatur-Superstar hochstilisiert wurde, hat seinen vierten Roman geschrieben. In „Imperium“ lässt er uns eintauchen in die Zeiten des späten Kolonialismuses. Mit der Figur des historisch belegten Nürnbergers August Engelhardt geht man auf weite Reise und darf ihm zusehen bei seinem hilflosen Unterfangen in Neu-guinea seinen Sonnenorden zu etablieren.

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Einige der besten Zeilen:

- Hartmut Otto war im eigentlichen Sinne ein moralischer Mensch, auch wenn sein Anstand dem gerade vergangenen Jahrhundert erwachsen war und er wenig Verständnis aufbringen konnte für die nun anbrechende neue Zeit, deren Protagonist August Engelhardt war.

- Und stellte nicht der Hinduismus, dessen höchster Ausdruck der Vegetarismus, also die Liebe war, im Weltgefüge eine Kraft dar, dessen allumspannendes, lichtes Rauschen der einst jene Länder, denen das Christentum zwar Nächstenliebe geschenkt, darin aber nicht die Tiere einbezogen hatte, überstrahlen würde wie ein blendender Komet?

- Die Moderne war nämlich angebrochen, die Dichter schrieben plötzlich atomisierte Zeilen;

- Nagel überlegte ernsthaft, seinem Freund in die Kolonien nachzufolgen, dafür spräche, dass der jahrelang ertragene Spott, der täglich über ihm ausgegossen wird, ihm langsam das Gemüt zu zerdrücken droht, er zu zweifeln begonnen hat an der Richtigkeit seines Handelns und Engelhardt ihm mitsamt seiner Besessenheit wie ein Führer erscheint, der Kraft seines Leuchtens ihn, Nagel, aus der düsteren Wüstenei Deutschlands in ein lichtes, sittliches, reines Land zu leiten verstünde, nicht nur metaphorisch, sondern in realitas –

- Ein paar Haltestellen weiter, am Alexanderplatz, lehnt ein durchnässter Berliner an einer Hauswand und isst, mesmerisiert kauend, eine jener labberigen Bratwürste.

- (denn es zerfleischt sich bekanntlich niemand so ausführlich wie Menschen, deren Ideen sich ähnlich sind)

- Das Feuer ist sein Metier; es ist nicht allein ein Kampf gegen den Orkan, den November dort im Maschinenraum führt, sondern ein beinahe urzeitliches Ringen gegen die Natur an sich, es ist die archaische Auflehnung eines Demiurgen, der, dem Elementar-Chaos trotzend, die eiserne Schaufel einhunderttausendmal wider die Impertinenz der Weltenunordnung erhebt.

Kracht ist ein Sprachvirtuose und man bettet sich wunderbar in dieser urkomischen, irrwitzigen Geschichte. Mir fehlt die Kenntnis des Gesamtwerkes um es als sein bestes Buch zu titulieren, aber eins ist es mit Sicherheit: sein Tollstes.

256 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, 18,99 Euro.

Roman Libbertz

Jason Starr: „Brooklyn Brother“

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Die biografischen Angaben des Verlages weisen den Autoren Jason Starr als 1968 im ‘Stadtteil Brooklyn’ geboren und als in New York lebend aus. Wahrscheinlich lebt er aber schon lange nicht mehr in Brooklyn, denn was Starr in seinem neuen Roman „Brooklyn Brothers“ beschreibt entbehrt jeglicher Schmeichelei. Starr erzählt von einer vom Niedergang der letzten Jahre erschöpften und enttäuschten urbanen Unter- und Mittelschicht, die das Gefühl, es fast einmal geschafft zu haben, es zumindest mal schaffen zu können, schon längst nicht mehr kennt und sich in Familien-, Berufs- und Gangstreitigkeiten zermürbt.

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Starr skizziert Brooklyn als tristes Loch der Ausweglosigkeit, dem man nur entrinnen kann, wenn man rappt, mit Drogen dealt oder es als Profisportler in einer der großen Ligen schafft. Was dann folgt sind Geld, Frauen, teure Autos, Privilegien, Designerklamotten und Ruhm.

Starrs Protagonisten verkörpern diesen Traum, doch während der eine zum gefeierten Baseballstar avanciert, kämpft sich sein ehemaliger und weitaus talentierterer Little-League-Weggefährte und Jugendfreund als Anstreicher durch den harten Brooklyner Alltag. Seine Eifersucht bringt den Stein ins Rollen, der eine Geschichte anstößt, die von Armani über Glock und Crack und Crips bis Nas und Eminem, kein Klischee auslässt und in deren Mittelpunkt, what else, eine Frau steht, als Spielball und Mittel zum Zweck, aber auch Verkörperung des ‘kleinen Glückes’.

„Brooklyn Brothers“ spielt nicht mit Vorurteilen und Klischee, leider, dieser Roman bedient sie und wenn man ‘Jason Starr’ googelt (das Buch wartet ohne Autorenportrait auf) und feststellt, dass er nicht schwarz ist, überkommt einen das unweigerliche Gefühl, dass hier jemand Rache nimmt, an Brooklyn, an den Brothers. Und das, auch wenn dieser Roman unterhält und in seiner Einfachheit überzeugt, muss man nicht gut finden. Es gibt mehr zu erzählen als das. Wer das Buch als temporeiches Eifersuchtsdrama mit jeder Menge Mord und Drogen liest und sich gerne in zerrüttete Biografien einliest, wird mit „Brooklyn Brothers“ ein paar vergnügsame Stunden erleben.

Elmar Bracht

Geradeaus im Kreis – Der neue Roman
von BLANK-Autor Boris Guschlbauer

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Boris Guschlbauer ist ein Reisender. Blank-Leser kennen ihn aus vielen Reportagen, von Indien über Istanbul bis zu den Pyramiden, Polen und die Ostsee. Wie sein literarisches Debut „Crashkurs Paris“ (Lautsprecherverlag, 2001), ist auch sein neuestes Werk wieder die Versuch eine Reise zu be- und umschreiben. Aber natürlich ist es viel mehr als das. Nachfolgend gibt es die ersten Kapitel aus “Geradeaus im Kreis”, dieer Tage erschienen im Jay Kay und Fred Verlag. Alle Infos zu Boris Guschlbauer, seinem neuen Buch, Lesungen etc. finden sich unter www.ichwilleineriesenbockwurstmitsenfundzwarsofort.de.

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Leseprobe:

„Indische Busse sind Zeitbomben auf Rädern. In Deutschland wären diese Busse vor Jahrzehnten schon von Mitarbeitern des TÜV aus dem Straßenverkehr entfernt worden, aber nicht hier. Alles, was halbwegs rollte, wurde verzweifelt am Leben erhalten. Die Busfahrer standen dabei ihrem fahrbaren Untersatz in nichts nach. Sie alle waren durchweg selbstmordgefährdete Irre mit absolutem Hang zur Raserei und ohne Verantwortungsgefühl für nichts und niemanden. Auf ihrem Weg in die Verdammnis überholten sie ohne Rücksicht auf Verluste reihenweise die etwas langsameren Verkehrsteilnehmer. Dabei bedienten sie sich eher der Hupe als des Lenkrades. Ich fragte mich, ob die Hupen permanent Töne von sich gaben und man erst, um sie zu stoppen auf den Knopf drücken musste. Unser Busfahrer hinterließ ein endloses akustisches Diiiiiiieeeeeep in der Landschaft. Die marode Fahrbahn erinnerte mit ihren vielen Schlaglöchern an Emmentaler Käse. Oft ging der brüchige Asphalt unsanft in Lehm über, dann wieder eine ungesicherte Baustelle mittig auf der Straße. Doch die Busfahrer ließen sich davon nicht beirren, die Geschwindigkeit wurde keinesfalls gedrosselt, sie setzten zum Überholvorgang an, obwohl ein riesiger LKW auf der Gegenfahrbahn mit ohrenbetäubender Hupe und wildem Auf- und Abblenden des Lichts erschreckend schnell entgegen brauste. Aber ein Abbruch des Manövers war nicht üblich, die hinduistischen Götter würden uns schon helfen, und wenn nicht, dann gingen wir eben alle drauf und unsere Leichen würden auf einem Scheiterhaufen verbrannt und die Asche dem Ganges übergeben.

Zwei Hupen im Wettstreit, eine brüllte wütender als die andere, dann verschmolzen die Töne zu einem Soundtrack der Zerstörung. Ich hörte schon das üble Geräusch von zwei frontal aufeinander prellende Karosserien, von splitterndem Glas, brechenden Knochen und dem finalen Gurgeln der Lunge, aber im allerletzten Augenblick zog der Busfahrer auf die linke Fahrbahnseite und der LKW sauste nur Millimeter an uns vorbei.

Das war normaler Straßenverkehr. Keinen Passagier schien dieser waghalsige Überholvorgang aus der Reserve zu locken.

Nach weiteren todesmutigen Fahrten auf der falschen Straßenseite erreichten wir unversehrt Rishikesh. Ich hätte es nicht für möglich gehalten.“

John Niven: „Gott bewahre“

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Alter, ist Gott angepisst … Da ist der gute Mann mal eine himmlische Woche (etwa 450 Erdenjahre) angeln und schon geht auf der Erde alles fürn Arsch. Jesus hat es wirklich etwas schleifen lassen. Denn der ist zwar gutmütig bis ins Mark, aber auch von einer so verkifften Entspanntheit, dass ihm Waldsterben, Homophobie und eine völlige Pervertierung der Lehre seines Vaters auf Erden einfach mal so durchgerutscht sind. Dabei hatte sein Vater dereinst eigentlich nur ein SEID LIEB! gen Berg Sinai gesendet.

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Entsprechend düster und dramatisch fällt die Bestandsaufnahme aus, nachdem Er seinen ersten Tag im Büro hinter sich gebracht hat. Meeting jagt Meeting und zu guter Letzt muss sich Gott auch noch mit dem Teufel, der eigentlich ein ganz dufter Typ ist, besprechen und ihn nach seinem Geheimnis fragen. Denn der schreibt seit vielen Jahren tiefschwarze Zahlen, weil er seine Räumlichkeiten an immer mehr katholische Geistliche loswerden kann. Und so muss Jesus, der eigentlich lieber den ganzen Tag mit Hendrix Riffs austauscht, wieder mal nach unten, um die Sache gerade zu biegen. Und zwar in Gestalt eines erfolglosen, aber überaus charismatischen und talentierten Musikers im New York unserer Tage. Doch das Geschäft ist hartes Brot und JC kriegt einfach kein Podium, um das väterliche Gebot loszuwerden. Was liegt daher näher, als einen Roadtrip gen L.A. anzutreten, um dort an einer landesweit ausgestrahlten Castingshow teilzunehmen? Was bleibt einem heutzutage auch anderes übrig…

John Niven schafft es mit „Gott bewahre“, sich mal so richtig in die Nesseln zu setzen. Zumindest bei den Amis. Denn er beschreibt nicht nur die völlig korrumpierte Unterhaltungsindustrie (wir erinnern uns an „Kill Your Friends“), sondern vor allem eine durch und durch fehlgeleitete US-Kirche in all ihren Splittergruppen. Und er tut dies so brilliant, dass man ständig brüllen möchte „ALTER, DAS IST JESUS PERSÖNLICH!“ „Gott bewahre“ ist schmerzhaft, bizarr, traumatisch, unglaublich komisch und dabei so hintersinnig, dass es auf dem Weg ist, das Buch des Jahres auf dem Unterhaltungssektor zu werden. Niven lässt seine Figuren so herrlich ungezügelt, dabei aber so gestochen scharf gezeichnet von der Leine, dass man ständig zwischen “Ne, das kann er jetzt nicht machen” und „Ich glaub, er macht das wirklich…“ oszilliert. Das Buch ist so voller Wendungen, toller Figuren, Zitate, Querverweise und guter Ideen, dass man sich nur fragt: Warum nochmal hat es so lange gedauert, bis mal jemand eine solche Geschichte aufgeschrieben hat? Antwort: Weil John Niven vorher keine Zeit hatte!

Auszug:

„Nun ja, laut einiger ziemlich stichhaltiger Erhebungen liegt die Zahl der Amerikaner, die an den Kreationismus glauben, bei vierzig bis fünfundvierzig Prozent der Bevölkerung“, sagte Matthäus.

Gott hört auf zu lachen. „Was?“, fragt Er, jetzt sehr leise.

„Ja“, sagt Matthäus. „Sie lehren es sogar in den Schulen.“

„Sie bringen diese Scheiße“, sagt Gott langsam und beißt sich dabei auf die Unterlipe, „ihren Kindern bei?“

„Ähm, ja.“

„WILLST DU MICH VERARSCHEN?“

Gott schlägt alles kurz und klein. Akten fliegen durch die Luft, ein schwerer Aschenbecher zerschmettert an der Wand, eine Kaffeetasse fliegt hinterher, ein Stuhl geht entzwei. Alle starren in ihre Unterlagen, warten darauf, dass der Ausbruch vorübergeht. Schnaufend nimmt Gott schließlich wieder Platz und blättert durch Seine Aufzeichnungen. „Aber was“, fragt Er schließlich, „ist mit diesem Jungen, Darwin? Er hat doch eigentlich alles kapiert.“

„Aye“, sagt Andreas. „Sie nennen ihn einen Teufel.“

„Sind diese Leute eigentlich wirklich allesamt Geisteskranke?“

„Hat ganz den Anschein, Herr.“

„Ich meine“, Gott nimmt einen Joint aus dem Aschenbecher und hält ihn in die Höhe, „rauchen die nicht genug Gras?“

Till Erdenberger

Philipp Lahm: „Der feine Unterschied“

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Ach herrjeh, was gab es nicht für eine Aufregung um dieses Buch, ohne dass jemand mehr als die dem Boulevard zugesteckten Auszüge gelesen hatte. Die alten Beißreflexe sind noch intakt, wenn sich die vermeintlichen Granden der Branche vorgeführt vorkommen. Und Lahm nennt in seinem „Der feine Unterschied“ ein paar Namen und ordnet ihnen ein paar unschöne Eigenschaften zu. Oho… Die Opfer sind allerdings längst emeritiert (Völler), weit weg (Klinsmann) oder eh to big to fail (van Gaal).

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Dabei war es sicher keine große Neuigkeit, dass Verlegenheitsbundestrainer Rudi Völler kaum in die Kaste der Taktikfüchse einzuordnen ist. 2002 rettete sich die Nationalelf dank eines überragenden Michael Ballack mit Minimalistenfußball, einer kaum zu begreifenden Duselauslosung und einiger wohlwollender Schiedsrichterentscheidungen bis ins WM-Endspiel. Zwei Jahre darauf versenkte sich das schon nicht mehr fahrende Schiff bei der desaströsen EM selbst. Völler inszenierte sich als Märtyrer und bleibt allein deswegen im kollektiven Gedächtnis der heimischen Fußballfreunde als Heilsfigur und eben der eine Rudi Völler verhaftet. Lahm schreibt wenig anderes und dennoch gibt es einen Aufschrei der Empörung im Boulevard.

Was also will Lahm mit diesem Buch erreichen, das irgendwo zwischen zaghafter Abrechnung, Autobiographie und Ratgeber Kicken osziliert? Es gibt zwei Ansätze:

1. Profil schärfen

Lahm will sich ein Profil verpassen. Das desjenigen, der zwar den Mahner gibt, das aber mit einer Stromlinienförmigkeit tut, die einer heutigen Generation Fußballer so schlecht steht. Philipp Lahm ist mit Sicherheit ein cleverer, möglicherweise auch unter der durchchoreographierten Schale ein netter Junge, der weiß, was er will und was dafür von Nöten ist. Machtmensch, Karrierist und ganz sicher begnadeter Kicker. So kommt die mittlerweile obligatorische Stiftung als eigenes Kapitel daher, der schon früh in der Bayern-Jugend implementierte unbedingte Siegeswille ebenso. Einige andere Primär- und Sekundärtugenden werden mit langer Herleitung vorgestellt und auf den netten Herrn Lahm transferiert. Als Nationalelfkapitän muss er den Platzhirsch geben und den Finger in Wunden legen, die es im heutigen Bundesligaalltag so gar nicht mehr gibt. Figuren sind austauschbar, wer aus der Reihe tanzt, dem wird mächtig in die Parade gefahren. Will Lahm sich mit seinem Rundumschlag, für den er sich doch eigentlich gar nicht entschuldigen muss, als Choreograph bewerben? Vorstellbar. Einsnull für die eigene PR-Abteilung.

2. Ich bin nicht schwul!

Oder aber es ist ganz anders und die ersten 235 sind eine unterhaltsame, voyeuristische Ouvertuere für das letzte Kapitel: Ich bin nicht schwul. Denn dort wird es so grotesk, dass man zum ersten Mal richtig ins Kopfschütteln kommt. Dort erklärt Philipp Lahm, dass er nicht schwul sei. Was ja eigentlich gar nicht schlimm sei, im Gegenteil, schwul sein ist ja vollkommen okay. Aber er halt nicht. Scheinbar gibt es Gerüchte um ihn und Lahm versucht sie mit einer solch verkrampften Verve, sie auszuräumen und die Quelle zu erklären, dass man gar nicht umhin kommt, sich zu fragen, warum diese Charade? Möglicherweise ist dieses Kapitel für Lahm das wichtigste, in jedem Falle ist es das unterhaltsamste und aufrichtigste des ganzen Buches. Denn es spiegelt die ganze Verkrampfung wider, die in der Szene nach wie vor zum Thema „Homosexualität“ vorherrscht. Rund um jeden halbwegs prominenten Kicker gibt es wohl 200 verschiedene Gerüchte. Der eine vermöbelt regelmäßig seine Frau, einer hat mindestens zwei uneheliche Kinder, der nächste ist vier Jahre älter, als in seinem Ausweis steht usw… Dass aber der Kapitän der Nationalelf ausgerechnet dem “Vorwurf”, homosexuell zu sein, derart massiv entgegen treten muss, dass er dafür extra eine Biographie zu schreiben hat, ist traurig und lässt zu tief blicken. Dass Lahm sich darauf einlässt zeigt die ganze Tragik der Diskussion.

Fazit: Warum sollte man dieses Buch lesen? Um sich in den Diskurs zum Thema stürzen zu können und Position zu beziehen. Pro Lahm? Contra Lahm? Darauf kommt es am Ende nicht an, denn eigentlich stehen in „Der feine Unterschied“ keine Meinungen, sondern doch recht objektive Wahrheiten. Wenn in einem Millionenbusiness wie dem Profifußball einer mit der „Ja, aber dass darf er doch nicht sagen“-Karte kommt, dann kann man dafür höchstens ein müdes Lächeln respektive eine verbale Blutgrätsche übrig haben. Lesbar ist das Buch allein seiner Kurzweiligkeit und des gelungenen Namedroppings wegen. Wie man heute Spitzenfußballer wird, wie der Untertietl suggeriert, erfährt man allerdings nicht. Möglicherweise gibt es dafür noch nicht mal eine Anleitung. Also: Lesen Sie es, wenn Sie mögen, es wird Ihnen nicht weh tun. Der hier und da gebräuchliche Duktus, wird Sie an alte Werke von Fußballphilosophen wie Fritz Walter und Uwe Seeler erinnern, wenn Lahms Ghostwriter in hoher Frequenz von „Kameraden“ spricht und dieses alte “11 Freunde” und “Gras fressen”-Vokabular beschwört. Lesen Sie es oder lassen Sie es. In zwei Jahren spricht eh niemand mehr davon.

Nachtrag: Das Beste an diesem Werk ist, dass er den feinen Verlag Antje Kunstmann, der üblicherweise ein ebenso feines Programm anbietet, derartig auf Jahre saniert haben dürfte, dass man sich auch nach der kommenden EM noch auf interessantere und relevantere Werke wird freuen dürfen.

Till Erdenberger

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